Langsam mache ich mir Sorgen. Sicher habt ihr sie auch schon bemerkt. Oder seid ihr vielleicht selber schon einer? Ich spreche von Smartphone-Zombies. Jeden Tag trotten mehr von ihnen über Straßen, Gehwege und – besonders besorgniserregend – Bahnsteige. (Liebe Zombies: Mind the gap!) Ihr starrer Blick ist auf ihre halbhoch vor ihrer Zombiebrust gehaltene Hand gerichtet, wie hypnotisiert fixieren sie das leuchtende Viereck darin. Letzte Woche bin ich zum ersten Mal mit einem Smartphone-Zombie zusammengestoßen.
Staunen über eine Welt mit App-Wartelisten
Er war ungefähr 1,20 Meter groß, trug eine Findet-Nemo-Wollmütze und Turnschuhe mit LEDs in der Sohle. Sein Gang war aber alles andere als sportlich. Den Blick fest auf sein Smartphone gerichtet, stakste mir der höchstens 8-Jährige wie an einer Schnur gezogen entgegen – und geradewegs in mich hinein. Falls er es bemerkt hat, störte es ihn offenbar nicht besonders: Nach kurzem Innehalten umging er mich wie ein Hindernis in einem Computerspiel und setzte seinen ferngesteuerten Weg fort. Kein Anzeichen von Erstaunen oder gar Erschrecken, kein Wort der Entschuldigung, genau genommen überhaupt keine Reaktion. Früher (war natürlich alles besser und) gingen Kinder mit so genannten „staunenden Augen“ durch die Welt. Heute ist vielen „die Welt“ offenbar nicht ganz so wichtig wie der Zeitpunkt, an dem sie endlich ein eigenes Smartphone bekommen. (Idealerweise spätestens zum sechsten Geburtstag.) Und staunen tun sie höchstens darüber, dass es Apps gibt, die zwar kostenfrei, aber so begehrt sind, dass man sie erst mal nur vorbestellen kann. (Aktuell mit einer Warteliste von knapp 800.000 Freaks.) Ich möchte nicht pessimistisch erscheinen, aber ich finde das wirklich nicht schön.
Googlebrillenträger sehen erweitert
Apropos Wirklichkeit: Man hört ja jetzt viel von „Augmented Reality“, zu Deutsch „Erweiterte Wirklichkeit“. Erweitert wird dabei die echte Wirklichkeit, die zum Anfassen, durch computergestützte, mehr oder weniger sinnvolle (sicherlich aber verkaufsfördernde) Informationen. Good old Google ist natürlich schon einen Schritt weiter und hat seine „Google Glasses“ schätzungsweise millimeterkurz vor der Marktreife. Sie projizieren dem Googlebrillenträger die besagten Informationen direkt ins Blickfeld und erzeugen so eine Realitätswahrnehmung, in der sich „echt“ mit „virtuell“ vermischt, was vermutlich „besser“ ergeben soll. Also, mir persönlich ist ja die unerweiterte Wirklichkeit manchmal schon etwas lästig. Wenn ich mir derartige Zukunftsvision anschaue, wird mir ganz blümerant und ich sehne mich nach der Zeit zurück, in der ich analoges Telefonieren gelernt habe.
Huch, heute war ich aber kritisch. Komisch, dabei sind Smartphones doch was ganz Tolles. Darüber schreibe ich dann nächstes Mal.